Ich erzähle jetzt den Anfang meiner Krankengeschichte, die noch nicht zu Ende ist und deren Ausgang wir ängstlich beobachten. Alles fing an am Mittwoch, den 25. Mai. Frauchen kam von der Arbeit und sah, dass Motte und ich vom Küchentisch einen Bleistift geklaut und zerbissen hatten. Sie warf die Reststücke in den Müll und vergewisserte sich im Internet, dass es seit 20 Jahren bereits keine giftigen Bleizusätze mehr gibt in den sogenannten Bleistiften. Heutzutage wird dafür Graphit verwendet, welches ungiftig ist. Wir gingen spazieren, als Herrchen heim kam und rasten wie immer durch den Wald. Am Abend verschmähte ich mein Futter. Herrchen und Frauchen waren sehr verwundert, denn das hatte ich noch nie in meinen 6 Lebensjahren getan. Sie trösteten sich aber damit, dass das bei jedem Tier einmal vorkommen könne. „Eventuell hat er sich den Magen verdorben. Morgen wird er schon wieder Appetit haben“, sagten sie zueinander.
Am Donnerstag gingen die beiden wieder zur Arbeit und als es am Abend Futter gab, rührte ich meine Schüssel nicht an. Ich war auch merklich ruhiger als am Vortag. Eine erste echte Sorge stellte sich ein und Frauchen telefonierte mit der Tierärztin, um einen Termin für den nächsten Morgen zu vereinbaren.
Am Freitag in der Tierarztpraxis musste ich leider 1 Tag „stationär“ bleiben, da die Ärztin eine Röntgenaufnahme und Blutuntersuchungen durchführen wollte. Außerdem wollte sie mich vorsichtshalber an eine Infusion hängen, damit ich nicht kraftlos werde und genügend Nährstoffe bekomme. Am Freitagabend erhielt mein besorgtes Frauchen die Auskunft, dass der Darm auf den Röntgenaufnahmen sehr aufgebläht sei und dass man einen Darmverschluss oder zumindest einen Engpass nicht ausschließen könne. Selbstverständlich hatte Frauchen vom Bleistift berichtet, aber die Möglichkeit, dass ein Splitter irgendwo stecken geblieben sei, wurde von der Ärztin als unwahrscheinlich angesehen. Frauchen bekam die Aufgabe, dass sie mir, falls ich bis Sonntag nicht fressen wolle, ein Kontrastmittel einzuflößen hätte, um mich gleich Montagmorgen zum Kontrastmittelröntgen vorbei zu bringen. Damit könne man einen evtl. Darmverschluss erkennen.
Der Samstagmorgen war sehr bedrückt bei uns zuhause, denn ich lag nur in meinem Korb und wandte den Kopf ab, wenn mir jemand etwas zu essen brachte. Bisher war ich ja stets immer sehr verfressen und die Sorge war daher umso größer. Am späten Samstagvormittag ging es mir zunehmend schlechter. Ich wollte mich im hintersten Winkel des Gartens vergraben und verbuddeln. Ich speichelte so stark, dass mir die Speichelfäden aus den Mundwinkeln auf die Erde tropften. Herrchen entdeckte mich so im Garten, packte mich und rannte mit mir ins Haus, um sofort einen Tierarzt zu informieren. Leider erfolgte eine fast 20-minütige erfolglose Umhertelefoniererei auf der Suche nach einem diensthabenden Arzt. Am Wochenende hört man in vielen Praxen nur eine Bandansage und dummerweise bei unserer Ärztin auch keinen Hinweis auf eine Notfallnummer. Frauchen war telefonisch mittlerweile zitternd in der Eifel bei einer Tierklinik gelandet, in der man uns sagte, wir könnten vorbei kommen. Wir rasten ins Auto und fuhren zitternd die 50 km bis zur Klinik. Dort nahm man mich stationär auf, weil es mir sehr, sehr schlecht ging. Herrchen und Frauchen fuhren nach Hause und telefonierten samstags noch zweimal mit der diensthabenden Ärztin, die angefangen hatte, Kontrastaufnahmen zu machen, um einen Darmverschluss auszuschließen. Ich hatte in den letzten Tagen seit meiner letzten Mahlzeit am Dienstag schon abgenommen und sah erbärmlich aus. Zitternd sah ich meinen Besitzern nach, als sie mich verließen und bei den fremden Menschen zurückgelassen haben. Da sollte meine Odysee aber erst beginnen...